Fallstudie 2 - Materialität in Raum und Zeit

Diese Fallstudie besteht aus zwei miteinander verknüpfte Analysen, die anhand spezifischer Aufnahmetechniken unter Nutzung mobiler Photogrammetrie und RTI-Techniken die historische Materialität in eine digitale versetzt. Die Materialbasis bilden die Sammlung ethnologischer Objekte und naturkundlicher Materialien, die der russische Kapitän Ivan Antonovich Kuprejanov (1794-1857) in den 1830er Jahren als Gouverneur von Russisch-Amerika erworben hat (Analyse 1 Kuprejanov). Analyse 2 (Prize Papers) untersucht Gegenstände von Bord gekaperter Schiffe, die als Teil ihrer Ladung und in Postsäcken im Bestand des High Court of Admiralty in London (Prize Papers) erhalten sind. Beide Bestände zeichnen sich durch eine äußerst heterogene und damit vielseitige historische Materialität aus, was gleichzeitig die besondere Herausforderung für 3D-Digitalisierung darstellt (transparente, glänzende, fluide und polychrome Oberflächen).

Analyse 1- Kuprejanov

Die Kuprejanov-Sammlung, die aus 137 Objekten besteht, gehört zu den bedeutendsten historischen Sammlungen von der Nordwestküste Amerikas. Sie umfasst Objekte des täglichen Gebrauchs, wie Werkzeuge und Holzgeschirr sowie Waffen, aber auch Ritualgegenstände wie Masken, einen Memorialstab und eine Chilkat-Tanzdecke. Sie gehört zu den frühesten Sammlungen aus der Circumpolarregion und zu den frühesten, die 1841 nach Europa gelangt sind, und enthält daher Stücke, die materiell und gestalterisch in späteren Sammlungskonvoluten nicht mehr zu finden sind, bspw. ein bestimmtes Bootsmodell. Insofern sind die Objekte sowohl für die Herkunftsgesellschaften als auch für die Forschungscommunity von herausragender Bedeutung.

Analyse 2 – Prize Papers

Unter den Gegenständen befinden sich handgeschlagene Goldringe, bunte Glasperlen, einzeln oder als Ketten, Blumensamen, Kaffeebohnen, Stoffproben, in überraschender Farbigkeit, Tücher, Seidenschleifen, Seidenbrokat, Stickereien, Textilproben für Kleidung, Proben von Leinen oder Wolle. Weitere Artefakte sind Dukaten, Schlüssel, Taschenbücher in Rot gefärbtem Leder, in Krokodilleder oder als Imitat oder im seltenen Shagreen, einer Art Rohhaut, die aus rauer, ungegerbter Haut vom Hai, Rochen oder Pferd stammt, mit charakteristischer Oberfläche. Ebenfalls erhalten sind Tapeten in unterschiedlichen Mustern, aufwendiger textiler Brustschmuck, Silberknöpfe, erhaltene Pulver, Haarproben und noch verschlossene Briefe.

3D-Digitalisierung

Das Ziel ist die Entwicklung von klaren Methoden, wie Objekte dreidimensional zu erfassen sind, so dass Anforderungen an Vollständigkeit, Auflösung, Genauigkeit, Farbtreue, Zugänglichkeit, Datenmenge sowie zeitlicher, technischer und finanzieller Aufwand berücksichtigt werden und als Leitfaden für andere Museen herangezogen werden können. Die Herausforderungen sind vielfältig, da sich Objekte signifikant in Größe, Form, Material, Textur und Empfindlichkeit unterscheiden und eine hochqualitative Digitalisierung transdisziplinäres Detailwissen voraussetzt. Es ist daher zu untersuchen, welche Regeln zur Datenerfassung standardisiert und ggf. in computergestützte automatisierte Digitalisierungsprozesse überführt werden können.